Die Grimmelshausen-Gesellschaft veranstaltete vom 21. bis zum 23. Juni 2012 in der Universitätsbibliothek Basel eine Tagung zum Thema „Grimmelshausen und das Wissen vom Menschen“. Organisiert wurde die Tagung von Maximilian Bergengruen (Universität Genf) und Rosmarie Zeller (Universität Basel). Damit hielt die Grimmelshausen-Gesellschaft erstmals seit 1998 wieder eine Tagung in der Schweiz ab. Anthropologische Fragestellungen, das heißt die Frage danach, wie sich das Wissen vom Menschen in der Literatur niederschlägt, haben in den letzten Jahren Konjunktur in der Literaturwissenschaft, allerdings kaum in der Frühneuzeitforschung. Es lag deshalb nahe, diese Fragestellung auch an das Werk Grimmelshausens mit seinen vielfältigen Figuren und Lebensläufen heranzutragen.
Der Einführungsvortrag von Michael Titzmann (Universität Passau) galt den grundsätzlichen Vorstellungen vom Menschen im 17. Jahrhundert, wie man sich Körper und Psyche, Geschlechterrollen und Altersklassen vorstellte und wie diese Vorstellungen je nach literarischer Gattung variieren können. In anderen Vorträgen ging es um Aspekte des Rechts, der Normverletzung, des richtigen Verhaltens in der Gesellschaft, der Rolle der Vernunft. Es wurde auch untersucht, wie Grimmelshausen Gewalt und Folter darstellt. Wenn man sich mit den Eigenheiten des Menschen beschäftigt, bietet es sich an, ihn auch gegen die Tiere abzugrenzen und zu sehen, wie die Differenz zwischen Tier und Mensch in der Frühen Neuzeit und insbesondere bei Grimmelshausen gedacht wird, wo ja Simplicius zu Beginn Tiere und Menschen nicht unterscheiden kann und er später in der Kalbsszene selbst zum Tier gemacht wird. Man ging ferner der Frage nach, wie die Adligen bei Grimmelshausen erscheinen, wie das Haus im Sinne der neuzeitlichen Ökonomie organisiert ist, wer alles zur simplicianischen Familie gehört und wie biologische und nicht biologische Beziehungen im Simplicissimus Teutsch aufgefasst werden. Darüber hinaus widmete man sich den Darstellungen der Lebensalter und der Affekte, dem Komplex des Bösen und seinen Literarisierungen im Werk Grimmelshausens. Durch die anthropologischen Perspektivierungen ergaben sich neue Einblicke in das OEuvre des simplicianischen Erzählers. Es ist zu hoffen, dass die interessanten Beiträge, die in diesem Jahrgang der Simpliciana abgedruckt sind, die Grimmelshausenforschung befruchten.Zum Rahmenprogramm gehörte die Vorstellung der digitalen Grimmelshausen-Ausgabe, die in Heidelberg in Zusammenarbeit mit der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel erstellt wird und die vor allem aus einem Interesse der Korpuslinguistik entstanden ist. Die Edition wird so aufbereitet, dass eine Volltextrecherche möglich ist.
Im Zusammenhang mit der Tagung hatte Rosmarie Zeller eine Grimmelshausen-Ausstellung in der UB Basel vorbereitet, die unter dem Titel stand „also daß ich dieses Land für ein irdisch Paradis hielte. Grimmelshausen, der Krieg am Oberrhein und die Schweiz.“ Dokumentiert wurden vor allem die Kriegsjahre 1632–1638, in denen die Schweden gegen die Kaiserlichen in der Gegend des Oberrheins kämpften, bis sie schließlich 1638 Breisach eroberten. Grausamkeiten wie ein Überfall auf Basler Kaufleute, das Hängen von Bauern nach Aufständen wurden in Flugblättern und Flugschriften präsentiert. Auch waren Bücher ausgestellt, die Grimmelshausen für jene Passagen benutzt hat, die in seinem Werk auf die Schweiz Bezug nehmen und Ereignisse in der Eidgenossenschaft schildern. Bis auf wenige Ausnahmen von Flugblättern wurden Werke aus dem Bestand der UB Basel gezeigt sowie Faksimiles von Vorzeichnungen zu den Kupfern der posthum erschienenen Grimmelshausen-Gesamtausgabe, die sich in der ZentralbibliothekZürich befinden. Im Rahmen der Ausstellung hielt Rosmarie Zeller am 22. August 2012 einen Vortrag zum Thema „Grimmelshausen und die Schweiz“. Die Dokumentation zur Ausstellung kann angefordert werden bei: rosmarie.zeller@unibas.ch
Eine Stadtführung bot Einblicke in die Geschichte der 1460 im Zusammenhang mit dem Basler Konzil gegründeten Universität, indem vom Münster angefangen bis zum 1939 bezogenen Kollegiengebäude verschiedene Orte, die in der langen Universitätsgeschichte wichtig waren, besucht wurden.
Rosmarie Zeller (Basel)