Johann Jakob Christoph von Grimmelshausen
Gesellschaft e.V.

Die Grimmelshausen-Gesellschaft im Jahre 2011

Zweiter fachdidaktischer Wettbewerb der
Grimmelshausen-Gesellschaft

Für das Jahr 2011 schrieb die Grimmelshausen-Gesellschaft e. V. – nach erfolgreichem Auftakt im Jahr 2009 – nun zum zweiten Mal einen bundesweiten fachdidaktischen Wettbewerb für Lehrerinnen und Lehrer, Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter und Studierende aller Schulformen aus. In Schule, Studienseminar und Universität/Pädagogischer Hochschule sollten sich Personen angesprochen fühlen und zum Mitmachen angeregt werden, innovative Unterrichtsentwürfe (Stundenplanungen, Sequenz- und Reihenplanungen) und/oder fachdidaktisch aufbereitete Unterrichtsmaterialien (Arbeitsblätter, Texte, Bild- und Tondokumente (Aufzeichnungen von Lesungen oder Theateraufführungen, sonstige Medien/Materialien), die einen Bezug zur Literatur des Barock (und insbesondere zur Person und/oder zum Werk Johann Jakob Christoph von Grimmelshausens) darstellen, zu erarbeiten oder bereits verwendetes und im Unterricht bewährtes Material als Wettbewerbsbeitrag per E-Mail einzureichen.

Den zweiten fachdidaktischen Wetbewerb der Grimmelshausen-Gesellschaft hat das Grimmelshausen-Gymnasium Offenburg gewonnen. Ausgezeichnet (hier die Laudatio) wurde das Theaterstück Courasche - Musiktheater nach Grimmelshausen.


Bericht über die Tagung

„Die Schlacht bei Wittstock (1636) und ihre Folgen. Krieg und Frieden im Werk Grimmelshausens und in der Literatur der Frühen Neuzeit“

01.–03. Juli 2011 in Wittstock

Die Grimmelshausen-Gesellschaft veranstaltete vom 01. bis zum 03. Juli 2011 im Wittstocker Museum des Dreißigjährigen Krieges eine Tagung zum Thema „Die Schlacht bei Wittstock (1636) und ihre Folgen. Krieg und Frieden im Werk Grimmelhausens und in der Literatur der Frühen Neuzeit“. Anlaß für die Tagung war der 375. Jahrestag der Schlacht im Jahr 2011, die als eine der blutigsten militärischen Auseinandersetzungen während des Dreißigjährigen Krieges gilt.

Die tragende Idee bei der Planung der Tagung war es, Historiker, Archäologen, Anthropologen und Literaturwissenschaftler zusammenzuführen, um die genannten Themenaspekte gemeinsam zu beleuchten. Es eröffneten sich für eine interdisziplinäre Tagung zahlreiche Arbeitsfelder, etwa die Bedeutung der Schlacht, die am 04.10.1636 (nach julianischem Kalender 24.09.1636) ausgetragen wurde, für den Verlauf des Dreißigjährigen Krieges, ihre Einschätzung aus schwedischer und kaiserlich-sächsischer Perspektive, die zeitgenössische Wahrnehmung und Deutung der Schlacht, das Erleben der Kämpfe durch Soldaten und Zivilbevölkerung. Nicht zuletzt wurden die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und konfessionellen Folgen Gegenstand der Diskussion. Weitere Themenbereiche waren vergleichende Studien zu zeitgenössischen Kriegsdarstellungen, Schlachtbeschreibungen sowie Manifestationen von Gewalt, Angst, Leid und sozialökonomischen Elends. Auch Friedenshoffnungen und Friedensutopien kamen zur Sprache. Ebenso ging man der Rezeption der Schlacht in zeitgenössischen Medien nach, etwa in der Presse und Bildpublizistik.

Für Literaturhistoriker gab es mehrere thematische Anknüpfungsmöglichkeiten. Ausgangspunkt war Grimmelshausen, der in seinem 1668 erschienenen Roman Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch das Gemetzel der Schlacht bei Wittstock beschreibt (Buch II, Kapitel 27). Doch nicht nur die Spezifika dieser literarischen Schlachtschilderung wurden zum Gegenstand der Tagung. Ebenso gerieten Kriegs- und Friedensdarstellungen im Gesamtwerk des simplicianischen Erzählers und zudem in der Prosa, Dramatik und Lyrik anderer Literaten der Frühen Neuzeit in den Blick.

Nach Grußworten von Ralf Reinhardt (Landrat des Landkreises Ostprignitz-Ruppin), Jörg Gehrmann (Bürgermeister der Stadt Wittstock) und Antje Zeiger (Leiterin der Kreismuseen Alte Bischofsburg – Museum des Dreißigjährigen Krieges Wittstock) eröffnete Peter Heßelmann (Präsident der Grimmelshausen-Gesellschaft) die Tagung. Der erste Vortrag stellte den Feldherrn Melchior von Hatzfeld in den Mittelpunkt. Michael Kaiser (Köln) führte aus, daß die Schlacht bei Wittstock zwar ein Rückschlag, jedoch keine verheerende Niederlage für die kaiserlich-sächsische Kriegspartei war. Martin Winter (Berlin) widmete sich Truppenbewegungen und Kommunikationswegen im Umfeld der Schlacht. Insbesondere ging es ihm um den Anmarsch von Walter Leslie aus Hessen, um die Situation der Verkehrswege und das Manövrieren der beteiligten Truppen. Die militärische Auseinandersetzung aus schwedischer Perspektive erläuterte Joachim Krüger (Greifswald). Dabei geriet auch die prekäre sozioökonomische Situation Schwedens in den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts in den Blick. Die strategische Meisterleistung Johan Banérs und der errungene Sieg seien, so die These Krügers, nicht zuletzt ein „Befreiungsschlag“ für die schwedische Politik und Wirtschaft gewesen. Marian Füssel (Göttingen) untersuchte insbesondere auf der Basis zeitgenössischer Flugschriften und Messrelationen die Schlacht als Medienereignis. Dabei wurden Grundzüge der unterschiedlichen Kriegsberichterstattung und deren Deutungsmuster verdeutlicht. Der zeitgenössischen Wahrnehmung und Interpretation des Kampfes ging Thomas Kossert (Göttingen) nach. Als Quellen dienten ihm vor allem Selbstzeugnisse, die Ratsprotokollen und Edikten gegenübergestellt wurden. Anhand der relativ lakonischen und nüchternen Darstellungen zeigt sich in der kollektiven Wahrnehmung der Schlacht, daß sie für die Zeitgenossen kein besonderes Vorkommnis, mithin kein „Schlüsselereignis“ in der Geschichte des Krieges war. Mit Vorträgen von Sabine Eickhoff, Anja Grothe und Bettina Jungklaus (Zossen) wurden Schicksale von auf dem Schlachtfeld bestatteten Söldnern aus archäologischer und anthropologischer Sicht rekonstruiert. Die Referentinnen präsentierten Ergebnisse, die sich bei der Untersuchung des im April 2007 entdeckten Massengrabes mit den Überresten von 125 Soldaten ergaben. Im Mittelpunkt des Vortrags von Gundula Gahlen (Potsdam) standen die Bevölkerung Perlebergs und ihre Entwicklung während des Dreißigjährigen Krieges. Hohe Sterblichkeit und Migration führten zu einem enormen Rückgang der Bevölkerung in der Stadt und Region. Die herangezogenen Quellen, die von Epidemien, Hungersnot und Kriegsgreuel berichten, ließen ein bedrückendes Bild von den krisenhaften Verhältnissen in dem Landstrich entstehen.

Die Vortragsreihe der Literaturhistoriker eröffnete Rosmarie Zeller (Basel), die mit den Autoren Lucan, Sidney und Grimmelshausen drei Stationen in der Tradition von Schlachtbeschreibungen in epischer Literatur erhellte. Dabei wurden Gemeinsamkeiten und Differenzen verwendeter poetischer und rhetorischer Konzepte herausgearbeitet. Jana Maroszová (Prag/München) legte ihren Vortragsschwerpunkt auf die Schlacht bei Nördlingen (1634) und ihre Rezeption im simplicianischen Zyklus. Unter Berücksichtigung zeitgenössischer Flugblätter und Flugschriften verfolgte sie Allegorisierungen der Schlacht und hob die apokalyptischen wie eschatologischen Deutungsdimensionen bei Grimmelshausen hervor. Die Frage „Grimmelshausen, ein Pionier der Friedensforschung?“ beantwortete Friedrich Gaede (Freiburg) vor dem Hintergrund mehrerer philosophischer Fixpunkte. Er würdigte Grimmelshausen als Antikriegsschriftsteller, der in verschiedenen Schriften eindringliche Plädoyers für den Frieden hielt. Klaus Haberkamm (Münster) erläuterte, ausgehend vom Begriff Euphuismus und seiner literarischen Tradition, Grundzüge hypertropher Rhetorik in Grimmelshausens Schlachtschilderungen. Die Rezeption der Friedensschriften des Erasmus während des 17. Jahrhunderts war Gegenstand der Ausführungen von Dieter Breuer (Aachen). Die Aufnahme und literarische Verarbeitung der Schlacht bei Wittstock in Georg Greflingers Epos Der Deutschen Dreyßig-Jähriger Krieg (1657) untersuchte Dirk Niefanger (Erlangen-Nürnberg). Mit dem kontroversen Portrait Tillys in verschiedenen Text- und Bildgenres aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges beschäftigte sich Jost Eickmeyer (Heidelberg), indem er provokativ die Frage „Blutsäufer oder Held?“ stellte und das Panorama von der Panegyrik bis zur Diabolisierung des schillernden Kriegsherrn nachzeichnete. Im Schlußvortrag lenkte Sibylle Penkert (Berlin) die Aufmerksamkeit auf Ricarda Huchs Der Dreißigjährige Krieg und die Wirkungsgeschichte in der Weimarer Republik.

Zum abwechslungsreichen Rahmenprogramm gehörten Führungen durch das Museum des Dreißigjährigen Krieges, durch die Sonderausstellung zum Theatrum Europaeum, durch die Kreismuseen Alte Bischofsburg, eine Stadtführung, ein Besuch des Schwedensteins und des historischen Schlachtfeldes sowie eine Besichtigung des Klosters Heiligengrabe.

Die Tagung wurde gefördert durch den Landkreis Ostprignitz-Ruppin, das Land Brandenburg, die Stadt Wittstock, die Kreismuseen Alte Bischofsburg – Museum des Dreißigjährigen Krieges Wittstock, den Förderverein Museen Alte Bischofsburg und die Sparkassenstiftung Ostprignitz-Ruppin.

Peter Heßelmann (Münster)