Tagung 2026
Ankündigung der Tagung „Erzählte Umwelten bei Grimmelshausen und in der Literatur seiner Zeit“,
18.–20. Juni 2026 in Gelnhausen
Die erzählten Welten des frühneuzeitlichen Romans formen sich nicht allein durch das Handeln der Protagonisten sowie ein teils schier unübersichtliches Personengeflecht, sondern auch durch die geschilderte Umwelt, die die Handlung in vielfältiger Weise beeinflusst. Grimmelshausens Lebenswelt in und um Gelnhausen sowie in der Ortenau spiegelt sich mannigfaltig in seinem Werk wieder. Der Anfang des Simplicissimus Teutsch beispielsweise steht unter den Voraussetzungen ländlichen Lebens und Wirtschaftens, unterscheidet sich dabei jedoch fundamental von einem laus ruris, wie wir es in der deutschsprachigen Literatur des 17. Jahrhunderts etwa in der epischen Versdichtung Martin Opitz’ finden. In der Einrichtung des Sauerbrunnens, in dem sich Simplicissimus eine Weile aufhält, verknüpfen sich ein Heilbetrieb und verschiedene Lustbarkeiten mit einer ökonomischen Nutzung natürlicher Ressourcen. Aktuelle naturhistorische Diskussionen, wie etwa Athanasius Kirchers Mundus subterraneus, fließen ebenso in die Gestaltung der erzählten Umwelt ein wie Wissensbestände antiker Naturgeschichten. Neben den mitteleuropäischen Landschaften werden schließlich in der Continuatio auch außereuropäische Gebiete und ihr Naturraum geschildert. Diese Formen von Naturdarstellungen sind kein Spezifikum des Simplicissimus oder Grimmelshausens, sondern lassen sich ebenso in anderen epischen Texten der Zeit finden.
Auch wenn sich die Forschungsströmungen der Environmental Humanities sowie des Ecocriticism in den vergangenen Jahren vor allem mit Fragen gegenwärtiger Mensch-Umwelt-Beziehungen beschäftigten, so mehren sich in den europäischen Literaturwissenschaften die Beiträge auch zu historischen Epochen im Allgemeinen und zur Frühen Neuzeit im Speziellen (etwa Governing the Environment in the Early Modern World, Hrsg. Miglietti, Morgan, 2017, Literature and Nature in the English Renaissance, Hrsg. Borlik, 2019, Early modern Ecologies, Hrsg. Goul, Usher, 2020). Die deutschsprachige Literaturwissenschaft zur Frühen Neuzeit hat diese Ansätze bislang kaum aufgenommen.
Die Tagung widmet sich der Darstellung natürlicher Umwelten in der Literatur der Frühen Neuzeit. Sie fragt – um einige thematische Anregungen zu geben – nach den traditionellen Topoi und innovativen Formen erzählerischer Landschaftsgestaltung, nach der Aufnahme von zeitgenössischem naturhistorischen Wissen, nach der narrativen Reaktion und Referenz auf aktuelle Umweltbedingungen und nach der Bedeutung pragmatischer Texte (etwa der sog. Hausväter- und Kalenderliteratur) für das literarische Schreiben der Zeit. Neben Beiträgen zum Werk Grimmelshausens sind auch solche zur Erzählliteratur anderer Autorinnen und Autoren des 16. und 17. Jahrhunderts willkommen.
Die Tagungskapazitäten sind begrenzt. Die Auswahl der Vorträge übernimmt eine vom Vorstand der Grimmelshausen-Gesellschaft eingesetzte Kommission.
Vortragsangebote bitte an: Dr. Joana van de Löcht, Universität Münster, Germanistisches Institut, Abteilung Neuere deutsche Literatur, Schlossplatz 34, D-48143 Münster,
E-Mail: joana.van.de.loecht [at] uni-muenster.de.